Konzerte 2024

07.03.2024: Mitch Ryder & Engerling Blues Band @ Musiktheater Rex, Bensheim

Naked But Not Dead

In der Nacht vom 06. auf den 07.10.1979 wurde Musikgeschichte geschrieben, nicht weniger. Der Autor dieser Zeilen starrte früh am Morgen gleichermaßen gebannt wie fasziniert auf die (hinter dem Eisernen Vorhang verbotene) ARD-Mattscheibe. Ein sich redlich mühender (aber bemitleidenswerter) Alan Bangs interviewte gegen einen offensichtlich stockbetrunkenen Mitch Ryder an. Ja, so musste er wohl aussehen, der real existierende dekadente Kapitalismus, genau so. Der Protagonist, in den späten 60ern jenseits des Atlantiks einen zeitlich eher knapp bemessenen Rock’n‘Roll-Heldenstatus genießend, fühlte sich nicht hinreichend respektiert – in Deutschland war er zu diesem Zeitpunkt freilich völlig unbekannt. Was Mitch Ryder & The Detroit Wheels nicht davon abhielt, eine atmosphärisch so dichte Show in der Essener Grugahalle abzuliefern, die der geneigte Leser heutzutage wohl historisch nennen wird. Dass am Ende ein grußloser „Star“ auch noch sein Publikum beleidigte, „You Want Rock’n’Roll? You Want A Beer!“, passte da umso mehr ins Bild. Nachzuhören und Nachzusehen auf der gleichnamigen DVD „Mitch Ryder- Live At Rockpalast“. Dicke Empfehlung.

45 (!) Jahre später ist es mir tatsächlich gelungen, Musikkumpel Rudi derart penetrant auf den Geist zu gehen bis er endlich abnickt und wir am „scheiß langen Donnerstag“ dem „Maybach“ die Sporen geben um ins 40 km entfernte Bensheim rocken.

Was sich in der neuen Zeitrechnung „Nach-Pandemie“ immer häufiger feststellen lässt: nicht ausverkauft, leider, verdient hätte es der 79jährige allemal. Immerhin haben die seinerzeit „Respektlosen“ nach dem legendären 79er Auftritt die Karriere begleitet, unterschrieben hat Mitch damals (nach dem Rockpalast, der eine gewisse Popularität zur Folge hatte) gar bei einem deutschen Label (Line).

Wir waren vorgewarnt: beim „kurz-nach-acht-reinschlurfen“ ist klar: ein Orthopäde ist nicht mehr nötig, ein paar Sekunden später aber auch: das Nebelhorn lebt! Die Stimme ist expressiver als einst, ja sogar aggressiver. An Themen mangelt es so wenig wie an einer superben Begleitband, seit mehr als zwei Jahrzehnten rocken die „Blues-Engerlinge“ um Pianist & Harper Boddi Bodag während der Deutschland-Shows die Bühne mit ihrem, nein, mit dem Star. Unaufdringlich, aber souverän, zurückhaltend (Mitch‘ Gesang ist für unsere Hörgewohnheiten etwas zu weit nach vorne gemischt, Schwamm drüber), aber auf den Punkt genau, mit den beiden Gitarristen Heiner Witte und Pitti Piatkowski (Klosterbrüder, Magdeburg, City, NO 55), die für Rhythmus viel zu schade sind aber eben nicht so scheinen. Dieser Part landet ohnehin beim fünfsaitigen Bass-Stoiker (im Stil eines William Perks) Manne Pokrandt.

Der Sound pendelt zwischen schwarz getränktem Blues-Rock (was auch sonst) mit einer leichten Prise Soul, das neue Album „Georgia Drift“ wird kurz zitiert, die Bühne gilt heute eher der großen Anzahl „Semi-Hits“, die es immer noch verdienen, entdeckt zu werden. Ein Musiker, der mit Mellencamp Songs geschrieben hat und regelmäßig auf den Live-Shows vom Boss gecovert wird, muss es draufhaben. Punkt.

Dass wir trotz der offensichtlichen Schwierigkeiten (ohne Voyeurismus) dabei sein durften, ist schon fast ein Glück. Von den vielen großen Songs fehlt eigentlich nur das radebrechende „Er ist nicht mein Präsident“ (das galt Ronald Reagan), wir ahnen, das Mitch zur Gegenwart auch was zu sagen hätte. Es ist unser Song, irgendwie.

Und wieder „so ein“ Abend.

Never Kick A Sleeping Dog

Mitch Ryder

Klasse. Danke

Die Band:

  • Mitch Ryder (voc)
  • Wolfram „Boddi“ Bodag (harp, keyb, voc)
  • Heiner Witte (g)
  • Gisbert „Pitti“ Piatkowski (g)
  • Mann Pokrandt (b)
  • Hannes Schulze (dr)

Blues
Alt. Country
Jam Rock
Psychedelic
Classic Rock (70's)
Indie
Songwriter

... und "All Things Rolling Stones"...

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